Es ist nicht Phantastisches Kino, aber immerhin Kult. Von daher mache ich mal eine kleine Ausnahme. Und was wären die Nachmittage in den 1990er-Jahren auf ProSieben ohne „Roseanne“ (und „Die Simpsons“) gewesen?
Mit dem Reboot der Kult-Sitcom „Roseanne“ (1988–1997, 2018) legte man 2018 einen Traumstart hin. Durch unangebrachte Tweets schoss sich Hauptdarstellerin Roseanne Barr allerdings wieder ins Aus und musste die Serie trotz des Erfolges verlassen. Eine Fortführung schien nicht möglich. Verständlich. Kann „Roseanne“ ohne die titelgebende Figur überhaupt funktionieren? Eigentlich nur schwer vorstellbar. Die erfreuliche Antwort über den Reboot „The Connors“ lautet allerdings: Ja, unglaublich gut, vielleicht sogar etwas besser. Die vielen Nebencharaktere aus dem Kreis der Familie rücken nun in den Vordergrund und füllen den Platz den die einst übermächtige Matriarchin mit dem losen Mundwerk sonst für sich in Anspruch genommen hat, aus. Ihr Abgang geschieht plötzlich, eben wie das reale Leben so schnell spielen kann, wird aber emotional und elegant verarbeitet. Nun ist die Zeit gekommen, dass die Kinder erwachsen werden müssen. Dies gilt vor allem für Darlene, gespielt von Sara Gilbert, deren Leben jetzt in den Vordergrund rückt. Sie ist keine Ersatz-Roseanne, aber durch die familiäre Bindung blitzt Roseannes Prägung immer wieder in ihr durch. Würde man den echten Hintergrund für Roseanne Barrs Ausscheiden nicht kennen, wäre diese Umwälzung ein perfekter als auch sehr realer Übergang gewesen. Der Grund für Roseannes Tod ist nur konsequent, sondern auch ehrlich. Roseanne verstirbt an einer Überdosis Schmerzmittel. Da viele US-Amerikaner (auch aus der Mittelschicht) sich die teuren Medikamente nicht mehr leisten können, greifen sie zu alternativen, teils illegalen Präparaten. Eine Opiaten-Epidemie schwemmt derzeit über das Land. „The Connors“ greift diese Tatsache einfach nur auf und verarbeitet sie.
Die Serie lebte immer davon die Realität widerzuspiegeln. Das hob sie von anderen Sitcoms teils drastisch ab. Die Charaktere und ihre Probleme wirkten real. So wurde die Familie Connor schnell zu einer Identifikationsfigur für das Blue-Collar-America, der Arbeiterklasse der USA. Auch war die Serie stets politisch, wenn dies auch in der Synchronisation manchmal verloren ging, da viele politische Themen oder Protagonisten dem deutschen Zuschauer schlichtweg nicht bekannt waren. „Die Connors“ macht hier keine Ausnahme, sondern führt dies fort. Die „Radikalisierung“ des politischen Diskurses von allen Seiten wird humoristisch, aber auch sehr ehrlich verarbeitet. Und diese unideologische Ehrlichkeit ist unglaublich erholsam. Arbeitslosigkeit, digitale Revolution, Krankenversicherungen, Rechnungen, Hypotheken, all dies spielt wieder eine Rolle. Die Connors sind nicht die perfekte Fernsehfamilie mit zwei Autos vor der Tür und einem mehrwöchigen Jahresurlaub. Wenn Sohnemann zum Fußballtraining gefahren werden soll, muss erstmal gecheckt werden, ob noch genug Sprit im Tank ist. Die Dellen, die das Leben schlug, sind sichtbar und werden nicht künstlich übertüncht.
Der erneute Reboot (oder das Spin-Off) „Die Connors“ ist vollends gelungen. Die Neuausrichtung auf die erwachsenen Kinder nur konsequent. Die Zuschauer scheinen dies zu schätzen und haben für Traumquoten gesorgt, sodass eine zweite Staffel bereits abgesegnet ist. Hoffen wir, dass wir der neuen Generation genauso lange beiwohnen dürfen, wie der alten.
„Die Connors“ ist derzeit auf Amazon Prime Video in Deutschland abrufbar.
‐ Markus Haage
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