Die nächste Runde im ewigen Wrestling-Match der Titanen wird eingeläutet: „Godzilla x Kong: The New Empire“. Ein bemerkenswerter Film, weil dieser in einem totalen Kontrast zu den hyperrealistischen Anfängen des Monsterverse steht. Waren diese durchaus als bittere Pille für ein Massenpublikum zu bezeichnen, kann das neueste Werk wohl nur noch mit zwei Worten umschrieben werden: ein kunterbuntes Knallbonbon.
Offizielle Synopsis: Der allmächtige Kong und der furchteinflößende Godzilla treten gegen eine gewaltige, unbekannte Bedrohung an, die in unserer Welt verborgen liegt – und die ihre gesamte Existenz infrage stellt. Außerdem enthüllt das neue Kapitel mehr über den mythischen Kampf, der zur Entstehung dieser außergewöhnlichen Kreaturen beigetragen und sie für immer untrennbar mit der Menschheit verbunden hat.
Vor zehn Jahren eröffneten Warner Bros. und Legendary Pictures mit Gareth Edwards’ „Godzilla“ (2014) das sogenannte Monsterverse. Edwards’ Vision überraschte. Er stellte nicht die japanische Riesenechse in den Vordergrund seiner Geschichte, sondern die Menschen, die unter dem Joch der wiederauferstandenen Titanen zu leiden hatten und erzählte die Geschichte aus ihrer Perspektive. Seine Neuinterpretation von „Godzilla“ („Gojira“, 1954) war teils überraschend dunkel gehalten; unterwarf sich gar einer Art von Hyperrealismus, dem die direkten Sequels und Prequels – wenn auch bereits bunter gestaltet – auch folgten. Als Aufhänger des Eröffnungsfilms diente ihm das Reaktorunglück von Fukushima; das erste Spin-Off „Kong: Skull Island“ (2017) verstand sich hingegen als Parabel auf den Vietnam-Krieg und die erste direkte Fortsetzung „Godzilla II: King of the Monsters“ (2019) nahm sich wiederum dem Ökozid und dem Klima-Aktivismus in seiner radikalsten Form an. Interessante inhaltliche Twists, die rückblickend in einem totalen Kontrast zu den neuesten Ablegern dieses Film-Universums stehen.
Mit „Godzilla x Kong: The New Empire“ (2024) hat man den Spiez endgültig umgedreht; Entertainment steht im Vordergrund, politische Interpretationsmöglichkeiten werden negiert und die Menschheit ist zur Randnotiz mutiert. Die Titanen beherrschen nicht nur die Erde, sie sind die einzigen echten Protagonisten der Geschichte. Alle menschlichen Charaktere dienen nur noch einem einzigen Zweck: eine Art Ankerpunkt für den Zuschauer darzustellen, damit sie sich in dieser kunterbunten Effektorgie nicht mehr vollkommen verloren fühlen und auch schlicht daran erinnert werden, dass sie überhaupt noch eine Existenzberechtigung in diesem Monsterverse besitzen. Diese Neuausrichtung geschah sukzessive über einen Verlauf von zehn Jahren und fünf Filmen sowie einer TV-Serie.
Das Monsterverse hat demnach viele inszenatorische Inkarnationen erlebt. Vom einem klar dramaturgisch ausgerichteten Film mit politischen Zügen zu einem Popcorn-Feuerwerk ohne jeglichen Anspruch an Logik. Man mag anmerken, dass dies durchaus nur konsequent sei, denn schließlich hat die japanische Vorlage dies letztlich auch getan. Man erinnere sich nur an einige Werke der Shōwa-Ära (1954–1975), wie etwa „Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn“ („Kaijūtō no kessen: Gojira no musuko“, 1967), die sich deutlich an ein kindliches Massenpublikum richteten. Vom radioaktiven Horror der Nachkriegszeit, wie es noch der Originalfilm als Parabel transportieren wollte, war nichts mehr zu spüren. Die Entwicklung des Monsterverse überrascht damit nicht zwingend, allerdings verliert sie dadurch auch jegliche Ernsthaftigkeit. Versuchte man in vorangegangenen Werken noch zeitgenössische Gesellschafts-Ängste einzuweben und den Figuren eine dramaturgische Entwicklung zu geben, scheint dies nun alles vergessen zu sein.
Der Monster-Brawl steht im Fokus der Geschichte und dieser hat kein Interesse an Nebensächlichkeiten. Auch wenn diese Details letztlich die Menschen sind. Godzilla und Kong, sowie ihre bösen Spiegelbilder, prügeln sich durch die Touristen-Attraktionen und Naturdenkmäler der Welt. Diese müssen keinerlei realen Bezugspunkt mehr besitzen; nur noch als vermeintlich spektakuläre Kulisse für die monströsen Ringkämpfe dienen. Die Gizeh-Pyramiden, die bereits einige übernatürliche Schlachten im Phantastischen Kino überlebt haben, dürfen nun auch zerlegt werden. Selbstredend ohne das realistische Setting von der Millionenmetropole Kairo im Hintergrund (die Pyramiden sind bekanntlich von einem „Kentucky Fried Chicken“-Lokal aus gut sichtbar). Es wird eine Fake-Welt kreiert, die nur noch auf der Leinwand hübsch aussehen und inhaltlich irgendwie funktionieren muss. Je geringer die eigenen Kenntnisse in Erdkunde sind, desto höher dürfte auch das persönliche Seh-Erlebnis ausfallen.
Aber keine Sorge, ganz so zimperlich ist man beim Finale schon nicht mehr. Die große Endschlacht aller Fraktionen findet am Zuckerhut statt; Rio de Janeiro wird ohne Rücksicht auf Verluste platt gemacht. Eine interessante Entwicklung im Blockbuster-Kino. War man noch vor wenigen Jahren bei anderen Eventfilmen stets darum bemüht, deutlich zu machen, dass die Orte großer Schlachten vorab evakuiert wurden, spielt dies nun anscheinend keine Rolle mehr. Ganze Hochhäuser vollgestopft mit namen- und gesichtslosen Bewohnern werden in den Boden gerammt. Doch, was sich spektakulär liest, ist leider zur Norm geworden; das Schlachtengemälde digital eintönig. Man hat alles schon gesehen, kennt die Beats; weiß, wann sich der Plot drehen muss, um die vermeintlich siegenden Antagonisten endgültig niederzuringen, … aber vielleicht mag dies auch genau den Reiz und somit den Erfolg ausmachen. „Godzilla x Kong: The New Empire“ ist als durchglobalisiertes Abenteuer auf allen Leinwänden und auf allen Kontinenten universell einsetzbar. Dieser Film eckt nirgends an; außer vielleicht bei Stadtplanern.
„Godzilla x Kong: The New Empire“ gehört mit einem weltweiten Einspiel von mindestens 560 Millionen US-Dollar (Stand: Mitte Mai 2024) zu den großen Hits des Jahres. Der Film besitzt damit einen Appeal, dessen Essenz Warner Bros. und Legendary Pictures schlichtweg erkannt haben. Es ist Comfort-Food für die Masse, gespickt mit kleineren Sensationen. Niemand muss die vorangegangenen Werke gesehen haben – auch wenn dies hilfreich wäre –, niemand braucht sich politisch angegriffen fühlen oder wird vor inhaltliche Herausforderungen gestellt. Die Monster wollen nur spielen; die Welt ist ihre Spielwiese und die Metropolen ihr Sandkasten. So wirken zwar gewisse Plotpoints auch redundant, aber das Publikum scheint sich daran nicht zu stören. Um abermals neue Schauwerte bieten zu können, müssen neue Welten eröffnet oder zumindest bekannte Welten drastisch erweitert werden. Bereits im Vorgängerfilm wurde die Hohlerde, Heimat der Titanen, eingeführt. Diese stellt nun wohl nicht nur einen der Haupthandlungsorte des Films, sondern auch des Film-Universums dar. Quasi die „Jurassic World“ des Monsterverse; oder, um präziser zu sein: die Gen-Labore von InGen. Kaum erforscht, kann die Hohlerde nun stets als Monsterfabrik herhalten, um neue Geschöpfe aus der Wundertüte der Evolution auf die Menschheit loszulassen.
Damit es aber überhaupt noch menschliche Bezugspunkte in der Heimat der Titanen geben kann, wurde der Hohlerde auch zugleich eine indigene Zivilisation verpasst. Erinnerungen an „Kong: Skull Island“ (2017) werden wach. Unsere abgestürzten Helden suchen nicht nur Schutz bei ihnen, sondern finden auch Erkenntnis. Hierbei handelt es sich übrigens um die menschlichen Helden (dies muss wohl zusätzlich erwähnt werden). Wandverzierungen und Murals sollen die Geschichte der Hohlerde vertiefen; die Beziehung zwischen den Monstren und ihrer Historie erklären. Aber selbstredend nur auf den aktuellen Plot bezogen. Es soll eine Vertiefung der Mythologie vorgetäuscht werden, um Logiklöcher innerhalb der Story rudimentär zu stopfen. Eine echte Evolution findet nicht mehr statt; mit Ausnahme der beiden eigentlichen Hauptdarsteller.
Während Godzilla sich neue Fähigkeiten und einem pinken Make-over unterziehen darf, erhält der alte Affe Kong technische Unterstützung. Was selbstredend nur die Schauwerte des Endkampfs erhöhen soll und nebenbei wegerklärt wird. Kongs Arm ist verletzt? Kein Problem, rein zufällig wurde nicht nur bereits eine mechanische Prothese angefertigt, sie liegt auch schon einsatzbereit in der MONARCH-Forschungsstation in der Hohlerde. Selbstredend als Prototyp vorab noch nicht getestet, um wenigstens noch etwas Spannung vortäuschen zu können. Als Antagonisten dienen nun nur noch weitere gigantische Fabelwesen aus der Hohlerde. Dieses Mal böse Spiegelbilder unserer eigentlichen Helden, die sich ebenfalls zum Ziel gemacht haben, über die Erde zu herrschen.
Der Bruch des Monsterverse ist bemerkenswert, sodass ein Vergleich sich schon gar nicht mehr ziemt. „Godzilla“ und „Godzilla x Kong: The New Empire“ stehen in einem vollkommenen inszenatorischen, dramaturgischen als auch ästhetischen Kontrast. Die „Godzilla x Kong“-Filme scheinen sich mittlerweile als eigenes Spin-Off zu verstehen; ein dritter Teil ist bereits in Planung. Damit wird das Monsterverse wohl einen ähnlichen Weg beschreiten wie das Original und bereits mit dem nächsten Film sich dem Ende der eigenen Shōwa-Ära nähern. Denn einer der Antagonisten entpuppt sich nicht nur als unfreiwilliger Bösewicht, sondern gar als Madame und dürfte in Godzillas Beuteschema passen. Vielleicht werden wir dann im nächsten Film Godzillas Sohn sehen. Dies wäre doch eine flotte Idee für einen dritten Teil – Godzilla muss seinen Sohnemann aus den Fängen eines identitätslosen Konglomerats XYZ retten! –; und ein simpler Grund reicht mittlerweile als Aufhänger aus, um ganze Metropolen, exotische Naturdenkmäler als auch historische Bauten zu vernichten. Von denen gibt es zum Glück noch genug zur Auswahl.
Das Monsterverse hat seine dramaturgischen Ecken und Kanten verloren, bietet dafür aber eine kunterbunte Popcorn-Achterbahnfahrt. Aber vielleicht muss dies auch so sein. Der Erfolg des Films kann zumindest dafür als Indiz angesehen werden. Man hat diese Achterbahn schon mehrmals betreten, kennt alle Kurven und Loopings und trotzdem steigt man immer wieder ein und lässt sich durch die Luft wirbeln.
‐ Markus Haage
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