Neben Tornados wird das ländliche Amerika vor allem von außerirdischen Invasionen geplagt. Was auch immer die Aliens an den amerikanischen Kleinstädten fasziniert, erfahren tun wir es trotz aller Schauwerte auch in „No one will save you“ nicht.
Synopsis: Brynn, eine begabte, junge Frau, hat sich von der Gesellschaft entfremdet und findet Trost in dem Haus, in dem sie aufwuchs. Sie wohnt dort alleine und wird eines Nachts von Geräuschen aufgeweckt, die von außerirdischen Invasoren stammen. Es entsteht ein actionreicher Kampf, der sie dazu zwingt, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.
„No one will save you“ verschwendet keine Zeit – bei einer Lauflänge von 93 Minuten wäre dies auch unnötig –, nach nur wenigen Minuten beginnt der Thrill und dann der Horror und dann der Sci-Fi-Actioner. Fix etabliert Regisseur Brian Duffield, dass es sich bei „No one will save you“ weder um einen Home-Invasion-Thriller noch einen Spukhaus-Horror handelt. Die Invasoren sind weder Einbrecher noch Gespenster, sondern extraterrestrische Wesen, die sich der Erde untertan machen wollen. Duffield hätte mit den Erwartungen des Zuschauers spielen können; diesem zuerst einen Einbruch und dann durch die Fähigkeiten der Außerirdischen einen übernatürlichen Spuk vortäuschen können. Er tut dies aber nicht oder zumindest nicht lange genug, um dieses effektiv ausnutzen zu können. Stattdessen überrascht er, indem er die Invasoren nicht nur frühzeitig offenbart, sondern später auch in mannigfaltigen Versionen präsentiert und dabei deren Invasion nicht erklärt, sondern die Mechanismen dahinter durch ihre Aktionen aufzeigt. Die Welt des Films wird schnell vergrößert. Was im Haus beginnt, endet zwar wieder im Haus, aber dazwischen werden die Auswirkungen des außerirdischen Überfalls auch außerhalb der eingeengten Welt der Protagonisten dargestellt. Es ist ein durchaus interessanter Ansatz, der viele frische Ideen in den Film bringt, die lediglich aufgrund ihrer Masse nicht ausgebreitet werden können oder überhaupt sollen. Da der Fokus vollends auf der Protagonistin liegt, wäre es auch kaum vorstellbar gewesen, dies wirklich zu tun. Sie erfährt die Invasion am eigenen Leib. Jede neue Welle kommt anders daher und soll sie, genauso wie den Zuschauer, vor vollendete Tatsachen setzen.
Natürlich werden beim Filmkenner sofort Erinnerungen an Werke wie M. Night Shyamalans „Signs – Zeichen“ (2002) oder „Dark Skies“ (2013) wach. Dies mag, wenn überhaupt, aber nur für das erste Drittel gelten, welches, wie eingangs erwähnt, mit den Suspense-Regeln frühzeitig bricht. Die Aliens schleichen nicht nur durch die Gemäuer, sondern verfügen über telekinetische Kräfte, die das Inventar des Hauses sprichwörtlich auf den Kopf stellt. Eine pseudowissenschaftliche Erklärung liefert der Film dafür zwar nicht, aber setzt es zumindest inszenatorisch spannend ein. Im späteren Verlauf, wenn sich der Schauplatz überraschend vergrößert und seine ersten Mysterien kreativ auflöst, mahnt „No one will save you“ wiederum an Werke wie „Die Körperfresser kommen“ („Invasion of the Body Snatchers“, 1978) oder „10 Cloverfield Lane“ (2016). Besonders das Finale des letzteren genannten Films könnte dem Leser einen guten Eindruck davon vermitteln, was ihn erwartet: eine Action-Horror-Achterbahnfahrt, die die Protagonistin versucht nach bester „Stirb Langsam“-Manier zu überleben.
Um dem Werk etwas mehr dramaturgische Tiefe zu verleihen, erhält die Hauptfigur Brynn (Kaitlyn Dever) ein Kindheitstrauma, welches sie selbstredend die Invasion durchhalten lässt. Zumindest bis zu einem bestimmten Punkt, der an dieser Stelle nicht gespoilert werden soll. Die Offenbarung des Traumas stellt allerdings keinen echten Wendepunkt innerhalb der Handlung dar, sondern dient eher als Erklärung für ihr zurückgezogenes Leben und warum sie wohl dafür prädestiniert ist, gewisse Qualen zu überstehen. Duffield folgt im Grunde dem klassischen Passionsweg des katholischen Katechismus. Vielleicht gar nicht überraschend, lebte der US-Amerikaner als Kind doch in einer Missionarsfamilie im streng gläubigen Irland. Nach ihrem Sündenfall und der glaubwürdigen Anerkennung ihrer eigenen Schuld durch selbsterfahrenes Leid, erhält Brynn somit ihre Erlösung. Es sei allerdings angemerkt, dass „No one will save you“ es leider nicht schafft, dies vollends befriedigend darzustellen. Es bleibt eine Erklärung, die man als gegeben hinnehmen muss, leitet aber nicht schlüssig das eigenwillige Finale ein. Man versteht die Intention dahinter, fühlt deren Exekution aber nicht. Somit bietet die Auflösung zwar einen dramaturgisch durchaus interessanten, aber handwerklich etwas mäßig umgesetzten Ansatz. Dass Regisseur Duffield dies in der frühen Vergangenheit zumindest inhaltlich eleganter geschafft hat, bewies er mit seinen Skripten zu „The Babysitter“ (2017), „Love and Monsters“ (2020) als auch „Underwater – Es ist erwacht“ (2021).
Da kaum Interaktionen mit anderen Menschen stattfinden, kommt „No one will save you“ auch fast ohne ein gesprochenes Wort aus. Lediglich zwei Sätze werden gesprochen. Dies schien auch Disney+ dazu zu animieren, das Werk erst gar nicht synchronisieren zu lassen. Lediglich die englischsprachige Originalversion ist in Deutschland verfügbar. Generell wurde der Film hierzulande kaum beworben. Dies macht sich auch im kaum vorhandenen PR-Material bemerkbar. Lediglich eine Poster-Variante wurde für den deutschen Raum erstellt, die allerdings keinerlei Hinweis auf die eigentlichen Schauwerte und Highlights des Films gibt. Man mag nun meinen, dass somit der „Twist“ der Alien-Invasion damit wenigstens nicht gespoilert wird, allerdings offenbart Regisseur Duffield diesen bereits dermaßen früh, dass weder der Original-Trailer noch das US-Poster für den Streamingdienst Hulu daraus jemals einen Hehl gemacht haben. Da es sich hierbei zusätzlich um eine Streaming-Premiere handelt, kommt man um die offizielle Synopsis ebenfalls nicht drumherum, bei der die extraterrestrische Wendung bereits im zweiten Satz Erwähnung findet. Das lustlose Marketing lässt sich leider kaum erklären. „No one will save you“ bietet einen kurzweiligen Genre-Mix, der vor allem der genre-affinen Crowd gefallen hätte. Ein eigentlicher perfekter Programmplatz für das kürzlich stattfindende Fantasy Filmfest.
In seiner Review zum Alien-Invasions-Thriller „Das Geheimnis von Centreville“ („Strange Invaders“, 1983) vom 18. September 1983 kam der amerikanische Filmkritiker Vincent Canby von der „New York Times“ zum wundervollen Fazit, dass das vorliegende Werk „ein geschmackvolles Monstermovie mit einem schrecklichen Geheimnis“ sei: Es würde sich „von anderen Filmen ernähren“ („a tasteful monster movie with a terrible secret: it eats other movies“). Ähnliches dürfte exakt dreißig Jahre später auch für „No one will save you“ gelten. Duffields zweite Regie-Arbeit zitiert die Sci-Horror-Historie reichhaltig, rauscht in schnellem Tempo durch die Geschichte, um ein definitives Finale zu präsentieren, auf das dramaturgisch nicht vollends geschickt hingeleitet wurde, aber welches durchaus konsequent ist. Somit fehlt „No one will save you“ lediglich etwas erzählerische Eleganz, vielleicht auch Raffinesse, um alle aufgebauten Erwartungen entsprechend bedienen zu können. Der bloße Ideenreichtum, als auch das Tempo der Geschichte, machen dies aber wieder wett.
‐ Markus Haage
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