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„Official Rejection“: Independent-Filme treffen auf Independent-Filmfestivals…

verfasst am 14.Juli 2018 von Markus Haage

(© Shut Up and Shoot Pictures)

Eher durch Zufall stieß ich auf die Dokumentation „Official Rejection“ (2009). Seit fast zehn Jahren steht sie auf meiner persönliche Must-See-Liste ganz oben, leider war es mir aber immer vergönnt, diese zu sehen. Warum? Es ist eine Independent-Dokumentation über Independent-Filmemacher, die ihre Filme bei Independent-Filmfestivals einreichen. Ein sehr spezielles Thema. Die Doku wurde nur mit Regionalcode auf DVD direkt von der eigenen Website der Filmemacher vertrieben, bis sie dann in den USA bei Amazon Prime online ging. Beides stellte für mich keine Option dar. Zumindest vor fünf, sechs Jahren… Die Zeiten haben sich geändert. Filmemacher können ihre eigenen Werke nun schon seit geraumer Zeit auch auf Amazon als Stream direkt einstellen. Aufgrund eines Artikel auf Wortvogel.de über die Lorbeerkranz-Seuche auf Filmplakaten von hiesigen Horrorfilmen, kam mir die Dokumentation wieder in den Sinn. Ohne nennenswerte Hoffnung oder Erwartung googelte ich nach dem Titel und wie durch ein Wunder poppte eben der Link zu Amazon Prime auf. Irritierend. Nachdem ich über Jahre versuchte, sie vergeblich aufzutreiben und diese im Grunde von mir schon vergessen wurde, ist sie nun einfach so mit einem Klick verfügbar. Natürlich nur auf Englisch, aber eben vom Filmemacher mit genauso wenigen Klicks über Prime weltweit verfügbar gemacht. Alleine diese „neue“ Form des Selbstvertriebs bedürfte einer genauen Analyse (was ich hier aber nicht machen werde).

„Official Rejection“ handelt von einem US-amerikanischen Independent-Filmer, der versucht seinen Streifen „Ten till Noon“ bei US-Filmfestivals einzureichen. Neben zahlreichen anderen Independent-Filmern kommen auch Größen aus dem Filmbereich, wie etwa Bryan Singer, Kevin Smith, Traci Lords oder Lloyd Kaufmann, zu Wort.

Interessant ist, dass die Doku in den Jahren 2005-2008 entstanden ist. Sie bietet einen recht intimen Blick in eine ganz bestimmte Epoche der US-amerikanischen Independent-Filmszene. Nämlich nachdem Indie-Filme wie „Clerks“ (1993), „El Mariachi“ (1995) oder „The Blair Witch Project“ (1999) international für Furore sorgten. Tausende Filmemacher waren der Überzeugung, dass auch ihre Filme die gleiche Anerkennung verdienen und versuchten über die zahlreichen Filmfestivals Aufmerksamkeit zu ergattern. Aber einen Film auf einem großen Filmfestival spielen zu lassen, stellt eine enorme Herausforderung dar. Der Independent-Film-Boom der 1990er-Jahre kreierte nicht nur zahlreiche neue Filme, sondern auch Filmfestivals. Oftmals von Amateuren veranstaltet. Die Dokumentation, die vollends subjektiv ist (was tatsächlich extra erwähnt werden muss), wirft diesbezüglich viele Fragen auf. Einreichungen von Filmen auf Filmfestivals kosten viel Geld. Wofür wird dieses Geld verwendet? Wer schaut und bewertet die Filme? Nach welchen Kriterien werden die Filme ausgesucht? Viele Festivals verlangen exklusive Premieren. Ist es überhaupt sinnvoll, einen Film auf einem bestimmten Filmfestival zu platzieren, wenn man sich dadurch die Chance verbaut, diesen auf anderen Filmfestivals zeigen zu können? Inwiefern dienen Filmfestivals noch der Kunst, wenn die Macher (auch hinter dem Festival) diese als Projektionsfläche für ihre eigenen Werke nutzen oder ein Filmfestival als Geschäftsmodell betrachten?

Die Dokumentation ist zu 100% subjektiv, da sie die Reise des Filmemachers und seines eigenen Films dokumentiert. Sie offenbart aber eben auch viele Dinge, die man mittlerweile auch aus Deutschland kennt. So kann auch ich von Filmfestivals berichten, deren Werbebudget geringer war als meine Anreisekosten. Oder von großen Filmfestivals mit eingekauften Stars, auf denen die Festivalmacher ihre eigenen Werke präsentierten. Oder von Filmfestivals, bei denen einige Vertreter der Jury nicht einmal alle Wettbewerbsfilme (nach deren eigener Aussage) angeschaut haben. Natürlich auch Filme, die groß angekündigt und dann gestrichen wurden, weil die Kinobesitzer aufgrund extrem niedriger Besucherzahlen eigenhändig Vorführungen (gegen den Willen der Festivalbetreiber) gestrichen haben, da Hollywood-Blockbuster XYZ mehr Besucher versprach (Verständlich, kein Kino kann sich einen leeren Kinosaal leisten…). Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass so manche Festival-Betreiber nicht einmal Werbung machen (eine Facebook-Seite reicht nicht aus). Ich erinnere mich an ein Festival, auf dem Cast und Crew aus Bayern zur Vorführung ihres (ziemlich beeindruckenden) Indie-Horrorfilms nach Nord-Deutschland angereist sind und mit mir alleine im Kino saßen, weil die Veranstalter nicht einmal ein Poster im Foyer des Kinos ausgehängt haben, um den Film (geschweige denn das Festival) anzukündigen oder zu bewerben… Das betrifft übrigens nicht nur Nachwuchs- oder Independent-Filmemacher, sondern auch bekannte Schauspieler aus Film und Fernsehen, die dann bei einem Filmfestival mit vier Leuten im Kinosaal sitzen (drei davon mit Pressekarte, also ein regulärer Zuschauer). In diesem speziellen Fall lag das dann wohl auch daran, dass das Programm (inklusive Programmheft) erst vier Tage vor Festivalbeginn erhältlich war… Und ohne Programm kann man halt auch keine Karten verkaufen.

Einmal stand ich vor einem leeren Saal bei einem Filmfestival und fragte den Veranstalter, ob er denn wenigstens Flyer und Plakate hat drucken lassen… Die Antwort war, dass man sich das erspart hat, weil es zuviel kosten würde (vielleicht 100 Euro…) und man keine Sponsoren haben möchte, damit man unkommerziell bleibt. Nobel, aber meine Kosten als Berichterstatter betrugen mit Sprit, Übernachtung und Verpflegung um die 200 Euro… Das Kino hat dann die letzten Vorstellungen abgesagt, weil nur eine Karte verkauft worden wäre. Nämlich an mich. Zum genervten Kinobetreiber habe ich dann gesagt, dass sie sich das sparen können. Die können ja auch nichts dafür, und was sollen die wegen mir den Laden bis weit nach Mitternacht offen halten? Besonders wenn die Promotion ja zu 100% in der Hand des Veranstalters liegt, dem Promotion für 100 Euro zu teuer ist.

Hier ein Video von einem Filmemacher, der über 7000 Meilen nach England zu einem Filmfestival gereist ist, auf dem kein Publikum war. Die Aussage des Veranstalters: Die Filmemacher müssten für ihre Filme sich ihr Publikum selber suchen. Dafür wäre das Filmfestival nicht verantwortlich.

Ein Festival zu veranstalten ist extrem harte und sehr zeit- und kostenintensive (und sicherlich auch undankbare) Arbeit, die man nicht nebenbei erledigen kann. Es ist kein Hobbyprojekt, sondern ein unbezahlter Zweitjob. Und zwar über Jahre (bis zur Etablierung). Das muss man anerkennen. Aber dasselbe gilt eben auch für die Produktion eines Independentfilms, und den Nachwuchs-, Amateur- und Independent-Filmern ist es überhaupt nicht geholfen, wenn sie ihr knappes Geld für sinnlose Vorführungen ohne Gäste raushauen. Da bringen manchmal 50 Euro in Facebook-Werbung investiert mehr als 100 Euro Sprit für eine Filmfestivalvorführung… Ich kenne sogar Nachwuchsfilmer, die mehr Geld für die Filmfestival-Promotion ihres Kurzfilmes ausgegeben haben, als für den Kurzfilm an sich. Aber selbstredend existieren auch viele, viele seriöse Festivals. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als wären diese krassen Beispiele die Norm. Sie sind es nicht.

Es bleibt ein spannendes Thema und sicherlich auch eines, welches man mal genauer betrachten sollte.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!