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Peninsula (Südkorea, 2020)

verfasst am 18.August 2020 von Markus Haage

(© Splendid Film GmbH)

Nach vier Jahren kehrt Regisseur Sang-ho Yeon in sein mit „Train to Busan“ (2016) und „Seoul Station“ (2016) geschaffenes Horror-Universum zurück. Der mit Spannung erwartete Zombiefilm „Peninsula“ brach in Süd-Ost-Asien nicht nur zahlreiche Rekorde, sondern stellt bereits einen der erfolgreichsten Horrorfilme des Jahres dar.

Die koreanische Halbinsel nach der Zombie-Apokalypse: Südkorea ist hermetisch vom Rest der Welt abgeriegelt. Die wenigen Überlebenden, die aus dem Land flüchten konnten, stoßen weitestgehend auf Ablehnung. Zu ihnen gehören der ehemalige Soldat Jung-seok (Gang Dong-won) und sein Schwager Cheol-min (Kim Do-yoon), die in Hongkong Unterschlupf finden konnten. Um ihr sinnloses Dasein zu beenden, gehen sie auf ein Angebot ein. Sie sollen einen Transporter in der Hafenstadt Incheon bergen. Dieser wurde während der Apokalypse zurückgelassen und beherbergt mehrere Millionen US-Dollar. Was sich anfangs wie ein einfacher Job anhört, entpuppt sich schnell als Höllentrip. Südkorea ist nicht nur von Untoten überlaufen. In den Ruinen der ehemaligen Republik haben sich auch noch überlebende Menschen verschanzt, denen nicht einmal bewusst ist, dass außerhalb des Landes noch menschliches Leben existiert …

Die Hafenstadt Incheon nach der Apokalypse.
(© Splendid Film GmbH)

Das südkoreanische Kino blüht derzeit auf. Mit „Parasite“ („Gisaengchung“, 2019) gewann ein Film von der Halbinsel sämtliche Königskategorien bei der diesjährigen Oscar-Verleihung. Im Genre-Bereich können südkoreanische Filme und Serien weltweite Erfolge feiern. Bemerkenswert ist hierbei, dass vor allem Stoffe des Zombiefilms Anklang finden. Kim Sung-hoons „Rampant“ („Chang-gwol“, 2018) wurde genauso bejubelt, wie eben Sang-ho Yeons „Train to Busan“ („Busanhaeng“, 2016) oder Na Hong-jins „The Wailing – Die Besessenen“ („Gokseong“, 2016) zwei Jahre zuvor. Auf Netflix wurde die koreanische Zombie-Serie „Kingdom“ (2019–) zu einem globalen Hit. Die zweite Staffel startete erst dieses Frühjahr. Erster Blockbuster nach Wiedereröffnung der südkoreanischen Kinos im Juni 2020 war der Zombiefilm „#Alive“ („#Saraitda“, 2020). Mit „Peninsula“ (2020) kommt nun sogar die Fortsetzung eines südkoreanischen Zombiefilms bundesweit in die deutschen Kinos, der bereits vorab weltweit Platz 1 der Kinocharts eroberte. Mangels Konkurrenz hat die Corona-Pandemie sicherlich etwas mitgeholfen, aber auch ohne sie wäre ein Hit wohl sicher gewesen. In über 190 Länder wurde der Film vorab verkauft. Der Start in den südostasiatischen Ländern lief dermaßen erfolgreich, dass selbst das Wall Street Journal darüber berichtete und die Schlagzeile formulierte: „This Summer’s Only Blockbuster Is a South Korean Zombie Film“. Faktisch absolut richtig. Doch „Peninsula“ ist eben weitaus mehr als nur eine weitere erfolgreiche Variante der Zombie-Thematik. Auch wenn das südkoreanische Kino sich schon recht früh mit dem lebenden Toten befasste – man denke hierbei an Kang Beom-gus „Goeshi“ aus dem Jahre 1981 –, war es eben „Train to Busan“ der nicht nur national, sondern auch international für Furore sorgte und eine eigene Welle loslöste. Horror aus Chosŏn war global erfolgreich. Die Erwartungen an Sang-ho Yeons Fortsetzung damit dementsprechend allerdings auch groß. Es stellt eben das Sequel zu einem international gefeierten und bei dem Filmfestspielen von Cannes uraufgeführten Horrorfilm dar, der aufgrund seines Erfolges gerne exemplarisch als Beginn der Renaissance des südkoreanischen Kinos angesehen wird, auch wenn natürlich zahlreiche Vorläufer (auch aus anderen Genres) existieren.

Die Zombies greifen an.
(© Splendid Film GmbH)

Der Erfolg des südkoreanischen Horrors mag auch darin begründet sein, dass die Südkoreaner bei der Inszenierung ihrer Zombiefilme immer eine große Freude an unterschiedlichen Settings zeigen. Eben Genres miteinander zu vermischen und sie damit von ihren traditionellen Konventionen zu befreien. Während „Rampant“ nicht nur den Zombiefilm, sondern auch das Kaijū-Kino zitiert, stehen neben den lebenden Toten auch politische Intrigen im Zentrum der Handlung von „Kingdom“, der im koreanischen Mittelalter der Joseon-Dynastie spielt. „Peninsula“ begibt sich hingegen nun in die Postapokalypse, einer fiktiven Zukunft vom zeitlichen Standpunkt der Vorgänger aus. Subtil flochtet Regisseur Sang-ho hierbei aktuelle politische, kulturelle und soziale Phänomene seines Heimatlandes in die Geschichte ein, ohne den Film allerdings damit zu überfrachten. Durch die reale Trennung der koreanischen Halbinsel im Norden besitzt er somit die Möglichkeit die Welt von „Train to Busan“ von der Masse der Zombiefilm-Produktionen abzuheben. So ist es nur Südkorea, welches nach dem Ausbruch der Seuche brach liegt, während der Norden die Apokalypse durch ihre realen Militäranlagen abwenden konnte. Somit existiert de facto nur noch ein handlungsfähiger koreanischer Staat. Die Südkoreaner, insofern sie sich als eigene Nation begreifen, sind nicht mehr relevant und die Welt wendet sich von ihnen ab. Der Bruderkrieg ist quasi beendet. Südkorea hat sich selbst zerfleischt. Die inhaltlich spannenden Möglichkeiten, die in dieser Prämisse liegen, sind unendlich und dürften Stoff für viele weitere innovative Geschichten bilden.

In diesem Sinne begeht Sang-ho auch nicht den Fehler eine direkte Fortsetzung zu inszenieren. Er bedient sich der Welt, die er mit „Train to Busan“ aufgebaut hat und erweiterte diese enorm ohne dabei Rücksicht auf Genre-Konventionen zu nehmen. Was als Survival-Drama beginnt, geht schnell in Horror über und wandelt sich in einen Heist-Film. Doch die Story legt den Zuschauer herein. Der Heist – soviel kann verraten werden – geht daneben. Die Hauptdarsteller und der Zuschauer werden unerwartet in eine neue Welt gesogen, in der nicht nur die Untoten die Bedrohung darstellen. Hierbei führt Regisseur Sang-ho Charaktere ein, die als Spiegelbild der südkoreanischen Gesellschaft dienen können. Die Umstände zwingen sie zu Menschen zu werden, die sie nicht sein wollen. Erlösung kommt letztlich von Außen, nachdem die Situation die Protagonisten dazu zwingt. Die Suche nach einer eigenen Identität eines Tausende Jahre alten Kulturlandes, welches innerlich zerrissen ist – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes auch geografisch – bestimmt das südkoreanische Kino jeher. Song-ho überträgt es nun lediglich in die Welt seiner lebenden Toten, die sich wie ein Virus rasend schnell ausgebreitet haben. Sie stellen einen Kontrast zu den mittlerweile klassischen Zombies dar, wie sie vor allem nach George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ („Night of the Living Dead“, 1968) etabliert wurden. Dies mag konservativen Horrorfans nicht zwingend gefallen, zeigt aber auch die Wandlungsfähigkeit dieser modernen Figur der Horror-Mythologie auf.



Die Ansprüche des Produktionsteams waren hoch. Man mag vielleicht aus handwerklicher Sicht durchaus monieren, dass diese vielleicht zu hoch gewesen sind. Die großen Action-Setpieces, die Erinnerungen an moderne Genre-Klassiker wie etwa George Millers „Mad Max: Fury Road“ (2015) wach werden lassen, können ihre Herkunft aus dem Rechner nur in wenigen Einstellungen verschleiern. Dies gilt insbesondere für die dystopischen CGI-Landschaften der verlassenen Hafenstadt Incheon. Dennoch möchte man dieses nur schwer als Kritik werten oder überhaupt verstanden wissen, sondern lieber die Vision applaudieren, die die südkoreanischen Filmemacher mittlerweile bereit sind umzusetzen. Sie besitzen den Anspruch inhaltlich, als auch inszenatorisch, große Welten zu erschaffen. Die Ambition hinter dem Projekt begeistert. Eine solche mutige Vision einer post-apokalyptischen Welt sah man im Zombie-Genre zuletzt in George A. Romeros „Land of the Dead“ (2005). „Peninsula“ braucht sich vor solchen Werken nicht verstecken.

Die Überlebenden.
(© Splendid Film GmbH)

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen aber natürlich nicht die Action-Setpieces, auch wenn man ihnen viel Raum einräumt, sondern natürlich die Charaktere. Abermals schafft es Sang-ho ihre Geschichten miteinander zu verknüpfen und für den Zuschauer greifbar zu machen. „Peninsula“ wartet mit echtem Drama auf und konzentriert sich vordergründig auf ihre Schicksale. Während die menschlichen Protagonisten in vielen westlichen Zombie-Filmen nur als oberflächlicher Motivator zu verstehen sind, die die Handlung zum für das Genre typischen finalen Massaker hintreiben sollen, durchleben die Figuren in „Peninsula“ eine nachvollziehbare Wandlung und somit eine eigene Reise. Es wäre einfach gewesen, einen actionreichen Heist-Film zu inszenieren. Sang-ho lässt seine Charaktere aber wachsen und gibt ihnen den dafür notwendigen Raum. Man spürt, dass sie nicht Mittel zum Zweck sind, sondern dass er an ihren Schicksalen tatsächlich interessiert ist. Ähnlich wie bei „Train to Busan“ oder gar „Parasite“ besitzt „Peninsula“ viele „Enden“ (man könnte hier mittlerweile fast von einem eigenen erzählerischen Stilmittel des südkoreanischen Kinos sprechen). Was sich auf den ersten Blick inkonsequent anfühlt, ergibt aufgrund der teils komplexen emotionalen Konflikte der Protagonisten allerdings durchaus Sinn, auch wenn die Inszenierung vor allem beim Finale vielleicht westliche Zuschauer – ähnlich wie die kantonesische Komik Mo lei tau in zahlreichen chinesischen Filmen – irritieren könnte.

Jung-seok stellt sich schützend vor Cheol-min.
(© Splendid Film GmbH)

Anstatt nahtlos an den Originalfilm anzuknüpfen und einfach nur die beim Publikum populären Schauwerte des Vorgängers zu zelebrieren, entwickelt „Peninsula“ die Welt seiner Untoten drastisch und dramaturgisch weiter. Der Fokus liegt auf den Menschen und ihren Schicksalen. Eine mutige Entscheidung, die sich bezahlt macht. “Peninsula” stellt somit nicht nur einen rasanten Zombie-Actioner dar, der mit zahlreichen genre-typischen Highlights aufwarten und hierbei mit westlichen Großproduktionen mithalten kann, sondern schafft es auch eine spannende Geschichte mit einigen Twists und echtem menschlichen Drama zu präsentieren.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!