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Hostile (Frankreich, 2017)

verfasst am 25.Juli 2018 von Markus Haage

(© Splendid Film)

Auch das noch. Ein Autounfall mitten in der Apokalypse zieht nicht nur Monstren an, sondern ruft auch noch allerhand Erinnerungen an die Zeit vor dem Untergang hervor. Horror zwischen Kitsch und Chaos erwartet den Zuschauer.

Wir wissen nicht wie, sehen es aber: Die Welt ist untergegangen. Was vor kurzem noch eine blühende Landschaft darstellte, ist nun eine Ödnis, die des Nachts von nach Menschenfleisch gierenden Mutanten heimgesucht wird. Die wenigen menschlichen Überlebenden, die sich misstrauisch gegenüberstehen, versuchen auf sich allein gestellt zu überleben. Von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht. Darunter ist die junge Juliette, die Dank eines Autounfalls mit gebrochen Bein in der Falle sitzt. Während sie versucht sich notdürftig selber zu pflegen, treten aus dem Nachtschatten bereits die ersten Mutanten hervor…

New York, New York! Der Hudson River ist nun ein Sandkasten.
(© Splendid Film)

Mit “Hostile” wartet Regisseur Mathieu Turi mit einem riskanten Genre-Mix auf. Nicht nur greift er auf die großen Klassikern der phantastischen Literatur zurück – zu nennen wäre nur als ein Verweis Richard Mathesons legendärer Roman “I am Legend” (siehe Verfilmung von 2007) -, sondern versucht auch unterschiedliche Genres zu bedienen. Für den Zuschauer offensichtlich, ist die Vermischung von Endzeit und Horror. Für den geneigten Genrefan sicherlich nichts Neues und ein bekanntes Szenario. Aber Turi wagt etwas Ungewöhnliches und webt in diese Endzeit-Kulisse ein romantisches Drama ein, welches mit den eigenen Regeln bricht. Dieses Drama stellt die eigentliche Geschichte dar und wird in großzügigen, den Film bestimmenden Rückblenden aufbereitet. Der Endzeit-Horror dient tatsächlich nur als Aufhänger, der das doch sehr menschliche Drama in regelmäßigen Abständen unterbricht. Dies dürfte Genrefans überraschen, vielleicht auch enttäuschen, da der Trailer natürlich etwas anderes suggerierte.

“Hostile” ist weniger die Geschichte eines Überlebenskampfes in der Endzeit, sondern versteht sich eher als Parabel auf das Leben. Niemals aufgeben, immer kämpfen. Was sich spannend liest, wird von Turi aber in eine dann doch sehr arg kitschige Liebesgeschichte verpackt. Bedeutet im Klartext: Drogenabhängige Straßennutte wird von einem älteren, reichen, gut gebildeten und zudem auch noch sehr attraktiven Philanthropen vor ihrem eigenen gewählten Schicksal bewahrt, in dem er sich nicht nur ihrer annimmt, sondern diese auch ehelicht. Nicht aus Mitleid. Er sieht in ihr tatsächlich den Menschen und verliebt sich aufrichtig in sie. Was sich wie ein Plot zu einem Groschenroman für einsame Hausmütterchen liest, kommt auch tatsächlich so simpel daher. Es gibt diesbezüglich keinen Twist oder keine Meta-Ebene. Es ist so platt, wie es sich liest. Oder einfach nur so aufrichtig, wie es sich liest. Je nachdem, wie man es persönlich deuten möchte. Wir kennen solche Märchen zu Genüge – und sei es nur aus “Pretty Woman” (1990) -, aber eben nicht aus dem Horror-Endzeit-Bereich. Und dieser gewagte Mix, der nicht vollends funktioniert, auch weil er sich einem solche märchenhaften Realismus hingibt (die verarmte Magd aus dem Märchen wird durch eine drogensüchtige Bordsteinschwalbe ersetzt), dürfte bei einigen Zuschauern für Irritationen sorgen.

Eine Art von „Pretty Woman“. Bloß mit Mutanten.
(© Splendid Film)

Akzeptiert man diesen, muss man aber dennoch leider feststellen, dass die dadurch transportierte Massage des Films, nicht aufgehen kann. Dies liegt vor allem an dem finalen Twist, der im totalen Kontrast zu eben dieser Message steht, sodass man sich beim Abspann durchaus die Fragte stellt, was für eine Geschichte der Film denn nun erzählen wollte. Sollte es tatsächlich eine Parabel auf das echte Leben sein? Eine Aufforderung an den Zuschauer sich gegen alle Widrigkeiten zu stellen? Oder auch hinter Äußerlichkeiten zu schauen und den Menschen wahrzunehmen und zu akzeptieren, wie er ist? Je länger der Zuschauer darüber nachdenkt, desto weniger ergibt das Finale irgendeinen Sinn. Es löst nicht auf, sondern verwirrt. Interessant ist aber dennoch, dass man sich davon nicht zu sehr (ent)täuschen lassen sollte, auch wenn es einen unbefriedigenden oder irritierenden Abschluss darstellt. Denn „Hostile“ kann durchaus überzeugen. Der klaustrophobische Überlebenskampf im verunglückten Auto gehört vielleicht zu den besten Settings des Genrejahres 2018. Auch weil Turi die Schockeffekte sparsam einsetzt. Weder gibt er sich zu sehr den klassischen Jump Scares hin, noch nimmt er den Monstren ihren bedrohenden Status, in denen er sie exploitativ präsentiert. Die Mutanten bleiben vorerst im Dunkeln. Turi lässt die Bedrohung hier zuallererst auf der auditiven Ebene ablaufen und lässt diese Schritt für Schritt näher kommen. Dies ergibt inhaltlich in Bezug auf die grausamen, aber eben auch ängstlichen Kreaturen Sinn. Vor Schockeffekten schreckt man dennoch nicht zurück, auch wenn sie recht spärlich gesät sind. Eine FSK 18-Freigabe war sicherlich nicht von Nöten, auch wenn die Marketing-Abteilung dies begrüßt haben dürfte, und suggeriert ähnlich wie der Trailer einen anderen Film.

An der Autoscheibe klebt ein Mutant.
(© Splendid Film)

Die eingewobenen Rückblenden, auch wenn sie inhaltlich als auch inszenatorisch eine teils unverständlich kitschige Romanze wiedergeben, stellen dennoch ein interessantes Experiment dar, welches als Gesamtwerk betrachtet als durchaus gelungen bezeichnet werden kann. „Mad Max 2 – Der Vollstrecker“ (1981) trifft auf „I am Legend“ (2007) und „Pretty Woman“ (1990). Mutige Genre-Mixe gibt es zweifelsohne zu wenig. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Flashbacks komplett herauszuschneiden und sich dafür einer weitaus geradlinigeren Handlung vollends in der Endzeit angesiedelt hinzugeben. Turi tut dies nicht. Er umarmt Kitsch, Romantik, Drama, Endzeit und Horror zugleich, fängt dieses in teils beeindruckenden Bildern ein und schafft damit einen spannenden, weil eben auch vollkommen ungewohnten Genre-Mix, der nur aufgrund seines eigenwilligen Endes inhaltlich nicht vollends aufgeht.

Markus Haage

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Über Markus Haage 2292 Artikel
Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!