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Drehbuchkritik: „Red Dawn – Die rote Flut“ (2010)

verfasst am 7.Oktober 2009 von Markus Haage

Die Remake-Welle rollt und rollt und rollt unaufhörlich auf uns zu. In den kommenden 12 Monaten erlebt das Jahr 1984 ein Revival – nicht nur, dass laut über ein TV-Remake Orwells Klassikers nachgedacht wird (so wie es jedes jahr der Fall ist), ebenfalls die „Kinder des Zorns“, die dieses Jahr bereits ein TV-Remake bekamen, dürfen im kommenden Jahr wieder über die Leinwand poltern, sowie Freddy Krueger (no more introduction needed). Mit einem Remake hat allerdings niemand gerechnet: „Red Dawn – Die rote Flut“.

(© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.)

1984 hetzte „Conan“-Regisseur John Milius, nebenbei Hobby-Republikaner und erzkonservativer 2nd-Amendment-Verfechter, eine Horde US-Teens durchs amerikanische Unterholz, um eine Soviet-Invasion aufzuhalten. Freilich haben die Teens keine Chance den Frontverlauf auf amerikanischen Boden zu beeinflußen – aber als echte amerikanische Freiheitskämpfer sind sich sich ihrer (selbstmörderischen) Pflichten bewußt, putzen die MG und schießen zu trommelnden Fanfaren die Russkies klein. Nicht ohne Verluste, aber immerhin reicht es um Ivan den Genuß seines Borschtschs zu versauen. Das gerade dieses holprige (aber sehr unterhaltsame) Propaganda-Filmchen im Jahre 2010 ein Remake erhalten wird, dürfte wohl jeden überraschen. Die Sovietunion ist lange untergegangen und die Achse des Bösen nervig aber nur für ihre eigene Bevölkerung eine (tödliche) Gefahr. Wer also besitzt nun die Kraft die good ole US of A zu okkupieren? China, baby!

Bereits 2005 schickte sich Carl Ellsworth, der schon das „Last House on the Left“-Remake schrieb, an, ein Drehbuch zu zu einem „Red Dawn“-Remake zu verfassen. Die Produktion wurde jedoch recht schnell wieder auf Eis gelegt. Das Projekt schien zu riskant, zu unpassend. Als MGM, das kurz vor dem Bankrott stand, sich dem Potential und der Beliebtheit des Originals 2009 wieder besann, gaben sie ein 75-Millionen-Budget frei, um Milius’ Klassiker neuzuverfilmen. Elsworth wurde erneut verpflichtet ein Drehbuch zu schreiben – welches die Geschichte sinnvoll in die Gegenwart transportiert. Und anstatt Vodka und Borschtsch, gibt’s am Mittagstisch der Besatzer nun Baijiu und Peking-Ente. Doch kann ein Film wie „Red Dawn“ überhaupt im Jahre 2010 funktionieren? Der Kalte Krieg ist vorbei, die Welt rückt (mehr oder weniger) näher, durch die globale Vernetzung werden Vorurteile und Stereotypen abgebaut. Kein leichtes Unterfangen also, denn das Original lebte von seiner teils recht naiven Gut/Böse-Darstellung. Als Fan des Originals (ich geb’s wenigstens zu!) konnte selbst ich mir kein wirklich überzeugendes Szenario vorstellen, welches auch nur ansatzweise mit dem Kalten-Kriegs-Theater vergleichbar wäre. Umso gespannter ware ich, als ich das Drehbuch in meinem Email-Postfach fand (dank an Beachhead!), und desto ernüchternd war ich nach Beendigung des Lesens.

Noch als Hinweis nebenbei: folgende Drehbuchkritik bezieht sich auf das im März 2009 für die Vorproduktion freigegebene Skript von Carl Ellsworth. Dieses wurde von Oscar-Nominee Tony Gilroy („Michael Clayton“) noch einmal überarbeitet – allerdings lediglich um „kleine Änderungen“ vorzunehmen. Wie klein diese Änderungen wirklich sind, kann natürlich nicht gesagt werden. Des Weiteren ist es wohl selbstverständlich, das sich während des Drehs Storydetails (vielleicht sogar komplette Handlungsstränge) ändern können.

Jed und Matt, zwei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein können. Während Jed vor kurzem als Irak-Veteran seinen Militärdienst beendete, genießt Matt als Quarterback das HighSchool-Leben in vollen Zügen. In Spokane, ihrer Heimatstadt, ist der Krieg im Irak weit weg, sowie das nächste aufziehende Krisengebiet: Taiwan. Die Insel vor der Küste Chinas ist seit jeher Streitpunkt zwischen der Volksrepublik und den USA. Während China es als ihr Terretorium ansieht, verstehen sich die USA, zumindest inoffiziell, als Garant der taiwanesischen Unabhängikeit. Als China den Status Quo mit allen militärischen Mitteln ändern möchte, erklären die USA die Mobilmachung zur Verteidigung der Insel. Doch die militärische Provokation Richtung Taiwan war nur ein Trick. Ohne vorherige Kriegserklärung greift China, mit Unterstützung Russlands, die USA selber an. In einer ersten Welle werden Washington D.C., sowie NORAD, das politische und militärische Herz der USA, vollkommen zerstört. Zur gleichen Zeit besetzen chinesische und russische Spezialeinheiten die wichtigsten Flughäfen der USA – eingeflogen mit regulären Passagiermaschinen. Damit wird der Weg für die nächste Welle geebnet – der Stationierung schweren militärischen Geräts über den Luftweg. Zehntausende von Fallschirmjäger-Einheiten werden indes über den strategisch-wichtigsten Verkehrspunkten abgeworfen. Dies wiederum macht den Weg für die größte Invasionsarmee der Geschichte frei. Über Alaska marschiert die chinesische Armee in die USA ein und überrumpelt die überraschten Landstreitkräfte. Und Spokane, die Kleinstadt im Herzen von Washington (dem Staat), befindet sich urplötzlich an der Frontlinie. Jed und sein Bruder, geweckt vom Gefechtslärm, können den chinesischen Einheiten nur knapp entkommen. Auf Anraten des Vaters fliehen sie, zusammen mit anderen Jugendlichen, die sie nebenbei mitnehmen, in die Berge – ohne genau zu wissen was vor sich geht. Doch ihre Flucht bleibt nicht unbemerkt. Um die Teens aus den Wäldern zu jagen, werden Jed und Matts Eltern als Geiseln vorgeführt – beide müssen mitansehen, wie sie hingerichtet werden. Von nun an schwören sie, zurückzuschlagen. Als kleine Gruppe von Widerstandskämpfern attackieren sie nach und nach die chinesischen Besatzer. Bis eines Tags ein abgeschmierter US-Pilot um ihre Hilfe bittet, um die Wende im Krieg herbeizuführen…

Die Kids (Patrick Swayze, C. Thomas Howell, Charlie Sheen) im Originalfilm von 1984.
(© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.)

Was sich einfach und simpel liest, ist auch einfach und simpel geschrieben. Und was sich (fast) exakt wie das Original von 1984 anhört, ist auch (fast) exakt das Original von 1984. „Red Dawn 2010“ ist ein Remake im wahrsten Sinne des Wortes und übernimmt – teilweise sogar wortwörtlich – komplette Handlungsstränge und Dialoge. Oftmals fragt man sich beim Lesen des Drehbuchs sogar, warum überhaupt ein 70-Millionen-Dollar-Remake in Auftrag gegeben wurde, wenn man der Story keine grundlegenden neuen Aspekte abgewinnt. Die Änderungen sind daher minimal – natürlich vorhanden, aber das Grundkonzept, der Handlungsablauf, sowie die einzelnen Charaktere bleiben in ihrer Grundkonstellation dieselben (lediglich Matt wird ein viel größerer Freiraum gewährt und seine Geschichte um eine persönliche Note erweitert). Wer sich auf einen härteren und realistischeren Film hofft, wird wohl enttäuscht werden. „Red Dawn 2010“ wird zumindest dem Drehbuch nach ein reiner Kriegs-Actioner bleiben.

Was zum größten Kritikpunkt führt: es wird unglaublich viel Potential vergeben. Das Drehbuch, als Grundgerüst, gibt wirklich den Stoff für ein unglaublich großes Kriegsdrama her. Gemein, brutal, hart, realistisch. Aber anstatt dies umzusetzen, fällt das Drehbuch immer und immer wieder in simplen Action-Gedöhns zurück. Selbst für eine richtige Charakterentwicklung lässt sich der Film zu wenig Zeit, der Schwerpunkt liegt auf der Action – und wenn es größere Handlungsstränge gibt, dann werden diese in einer Montage abgearbeitet. Dies ist nur eine Mutmaßung, aber nach diesem Drehbuch wird wohl ein neuer Rekord in Sachen Montage-Szenen aufgestellt – da kann selbst „Rocky 4“ nicht mehr mithalten. Ich hoffe, dass die Re-Writes von Tony Gilroy dies noch etwas besser ausbügeln und strukturieren werden.

Inhaltlich gibt es ansonsten nur drei weitere Punkte, die mich etwas stören. Zum einen wäre es die Beteiligung der Russen an der Invasion. Dies ergibt für mich keinen großen Sinn. Sie wirken eher wie ein böses Gimmick. Natürlich wird den Russen eine Schlüsselrolle bei der Invasion der USA eingeräumt, damit sie nicht einfach nur als bösartige Statisten verkommen, dennoch erschließt sich mir ihr Dasein einfach nicht. Es ist unnötig. Der Aufbau zur Invasion und Chinas alleiniges Handeln ergibt mehr Sinn und wirkt runder. Des Weiteren werden in den Film teils recht starke republikanische Töne angeklungen. Klar, bereits das Original stammt vom erzkonservativen Milius, aber selbst er machte aus seinen Film kein direktes innenpolitisches Pamphlet. Das Original ist ein durch und durch über-patriotischer Actioner – im amerikanischen Sinne. Während das Remake hingegen durch das Streuen von populären, rechtskonservativen Meinungen auffällt. Auf die Frage wie schlimm es denn im Irak ist, antwortet Jed als Veteran am Anfang des Films, dass es nicht so schlimm wäre, wie CNN es gerne darstellt (CNN gilt besonders in republikanischen Kreisen als „liberal/lefty propaganda“). Während die Wolverines, die aufständischen Teens, im Wald Radio hören, ertönt daraus Toby Keiths hurrapatriotisches Lied „Courtesy of the Red, White & Blue“ – welches sogar in einem sogenannten Patriot-Special zum US-Nationalfeiertag 2002 vom US-Sender ABC als zu rechtsgerichtet abgelehnt wurde. Das Problem sind eigentlich nicht die patriotischen Töne, die der Film anschlägt. Die waren nun einmal bereits im Original wahrzunehmen und wären auch im Remake zu erwarten. Das Problem ist, dass hier direkt politisch Stellung bezogen wird. Es wirkt daher weniger wie ein „American war actioner“, sondern mehr wie ein „Republican war actioner“. Der letzte Punkt wäre das Ende des Films, welches ich als recht gewagt ansehe. Richtig inszeniert kann es gut wirken, allerdings kann der Schuß auch vollkommen nach hinten losgehen. Natürlich möchte ich es nicht spoilern, als Umschreibung soll einfach mal cartoonish Rambo-like Cliffhanger dienen.

Ansonsten macht das Drehbuch nicht allzuviel verkehrt und ist eher wie ein großes Update anzusehen. Es geht an der ein oder anderen Stelle neue Wege, ändert hierbei allerdings das Grundkonzept nicht. Der Ausbau der Charaktere Matt und Jed, ihre Beziehung zueinander, halte ich für großartig, doch dadurch, dass sie nun weitaus mehr Raum einnehmen, verblassen die weiteren Wolverines etwas.

Für „Red Dawn“-Fans dürfte der Streifen keineswegs eine Enttäuschung werden, wobei ich persönlich es allerdings schade finde, dass es ein reines Remake wird, welches viel Potential nicht nutzt und oftmals den Weg des einfachsten Widerstandes geht. Fans des Originals haben auf eine Umsetzung des Original-Drehbuchs „Ten Soldiers“ gehofft, auf dessen Milius’ Script basierte. Dies ging eher in Richtung Herr der Fliegen, war recht drastisch in seiner Darstellung und beschäftigte sich nicht vordergründig mit dem Widerstand, sondern mit dem Zerfall der Gruppe, den Belastungen und Grauen des Krieges, mit der Tatsache, dass eine Gruppe junger Menschen, von einer Minute aud die Andere aus ihrem Leben im Wohlstand und Unbeschwertheit herausgerissen werden. Die Frage ist letztlich also, welchen Anspruch man an das Remake hat.

Alles in Allem wird uns 2010 wohl ein recht schnnelles, actionlastiges „Red Dawn“-Remake bevorstehen, das sich nicht großartig mit dramatischen Kleinigkeiten aufhält. Als Fan des Originals ist es etwas schwer dies zu bewerten, da man seit jeher in ein mögliches Remake seine eigene Ideen und Wunschvorstellungen hineinprojezierte (wovon ich mich natürlich nicht freisprechen kann), wer allerdings das Original mochte, dürfte mit dem Remake nicht enttäuscht werden. In der Masse der kommenden Action-Film wird das Remake mit Sicherheit eine Kinokarte wert sein. Allein schon wegen seiner ungewöhnlichen Handlung. Ich freue mich auf das Remake, auch wenn es nicht das erhoffte „Ten Soldiers“-Film wird.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!